Daß der E-Smog von Mobilfunkmasten, von Handies und DECT-Telefonen gesundheitsschädlich ist, pfeiffen für informierte Mitbürger inzwischen die Spatzen von den Dächern. Die meisten Entscheidungsträger, die Industrie sowieso - und leider auch die "Wissenschaftler", die es eigentlich wissen müßten, scheinen jedoch schwerhörig zu sein. Im gesamten Bundesgebiet flackert an unzähligen Stellen Widerstand auf. Auch im hessischen Wohnort meiner Schwester will eine mobilfunkbetreibende Firma ihre Sendemasten auf teufelkommraus mitten ins Wohngebiet stellen. Die von der Gemeinde angebotenen Standorte außerhalb der Wohngebiete sind ihnen nicht gut genug. Mittlerweile steigt die Anzahl der Menschen, die elektrosensibel sind und die es in der Nähe von Sendeanlagen gesundheitlich absolut nicht mehr aushalten, sprunghaft an. Der Widerstand gegen die massive Durchsetzung einer unmenschlichen Technologie scheint - bei allem Engagement vieler Einzelgruppen - noch nicht den Hebel gefunden zu haben, mit dem die E-Smog-Leugnerei ausgehebelt werden kann. Dies könnte sich jetzt ändern. Und das kam so: Am 2. April 2001 hielt Prof. Jürgen Bernhard, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Strahlenschutzkommission, einen Vortrag vor dem Bayerischen Städte- und Gemeindetag in Königsbrunn. Auf dieser Veranstaltung behauptete er, daß es keine wissenschaftlichen Hinweise auf eine Gesundheitsschädigung durch den Mobilfunk gäbe, empfahl aber dennoch den "vorsichtigen Gebrauch" von Handies. Auf dieser Veranstaltung waren auch Vertreter von drei Bürgerinitiativen anwesend, die seinen Ausführungen sehr aufmerksam folgten und protokollierten. Am 8. Oktober 2001 verfassten die drei Bürgerinitiativen gemeinsam einen offenen Brief an Prof. Bernhardt, in dem sie ihn "zum Widerruf Ihrer öffentlichen Fehlinformationen", "zur Teilnahme an einem medizinischen Selbstversuch" und zum Rücktritt aufforderten. Dem Offenen Brief, der auch an den Bayerischen Städte- und Gemeindetag, an Landräte, Bürgermeister, Landtagsabgeordneten und an die Presse ging, legten sie einen 2-seitigen Kurzkommentar und einen 36-seitigen Langkommentar bei, in dem sie jeder der im Vortrag gemachten Behauptung des Professors die Erkenntnisse internationaler wissenschaftlicher Studien gegenüberstellten, die eine Gesundheitschädlichkeit der künstlichen elektromagnetischen Felder aus dem Mobilfunk sehr wohl beweisen. Empört bemängelt Prof. Bernhardt in seinem Antwortschreiben vom 25. Oktober, daß in dem Offenen Brief bzw. den Kommentaren "elementare Regeln einer wissenschaftlichen Begutachtung fahrlässig verletzt" worden seien. Er benennt aber keiner der fahrlässig verletzten Regeln. So sei die Auswahl der zitierten Arbeiten "nicht nur einseitig", sondern "es wurde nicht einmal überprüft, ob die herangezogenen Arbeiten überhaupt unter Zugrundelegung wissenschaftlich anerkannter Qualitätskriterien durchgeführt wurden." Er benennt aber keine der Arbeiten und keine der von ihm gewünschten Qualitätskriterien. Und so weiter. Er unterstellt zu den Autoren des Offenen Briefes ein "fundamentalistisches Weltbild", (wie sachlich!) und bezieht sich ansonsten auf Gutachten der Deutschen Strahlenschutzkommision (deren Vorsitz er selbst etliche Jahre führte), dem Rat der Europäischen Kommission ect. und behielt sich abschließend "die Einleitung rechtlicher Schritte" vor. Nun darf man einem derart beschossenen Herrn Professor ja nicht einfach so unterstellen, gegen besseres Wissen zu handeln. Einen denkbar schlechten Eindruck macht jedoch, daß er auf die sehr präzise geführte Kritik und Argumentation durch die Bürgerinitiativen sehr ausweichend und pauschal antwortet und sich zudem genötigt sieht, auf den Sprachgebrauch von Sektenbeauftragten zurückzugreifen. Mir scheint, er ist hier eindeutig in der Defensive. Wie wir es auch von anderen umstrittenen "wissenschaftlichen Erkenntnissen" her kennen, benennt Prof. Bernhardt keine einzige Studie, die seinen Standpunkt unterstützt und widerlegt keine einzige der im Offenen Brief angeführten Studien. Richtig brisant erst wird das Ganze durch den Vorwurf an den Professor, daß die von ihm benannten Gremien, auf der en Gutachten er sich (pauschal!) bezieht, von ihm selbst beraten werden. Seine Verflechtungen seien, so die Bürgerinitiativen, "kaum noch überschaubar:" Als Postadresse benutze er beispielsweise das Bundesamt für Strahlenschutz. Desweiteren ist er stellvertretender Vorsitzender der "Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierenden Strahlen" (ICNIRP). Laut einer kleinen Anfrage der PDS an die Bundesregierung bezieht diese sich bei der Festlegung von Grenzwerten auf die ICNIRP und "unterzieht sie einer eigenen fachlichen Bewertung" - durch die Strahlenschutzkommissin. Nun ist aber ein gewisser Herr Professor Bernhardt Mitglied BEIDER Kommissionen, und zwar in leitender Positition. Auf die Frage, warum die Bundesregierung den Empfehlungen der ICNIRP folge, antwortet diese u.a. wörtlich: "Die Empfehlungen der ICNIRP erfahren weltweit eine hohe fachliche und politische Akzeptanz." Und hier, lieber Leser, gilt es ganz schnell der Verstand einzuschalten. Denn solches allgemeines und unkonkretes Geschwafel dient im allgemeinen dazu, bestimmte (un)wissenschaftliche Dogmen - zum Schaden der Bevölkerung - durchzusetzen. Die gleiche Qualität von Antworten erleben zur Zeit z.B. viele impfkritische Eltern (u.a. ich), die in Briefen an Behörden nach Beweisen für die Wirksamkeit von Impfungen fragen. Nun, die Bürgerinitiativen scheinen das ähnlich wie ich zu sehen, jedenfalls befkräftigten sie ihre Kritik an Prof. Bernhardt und ihre Rücktrittsforderung nochmals in einem Offenen Brief am 6. Dezember. Diese Stellungnahme ging wieder an einen sehr großen Verteiler. Die Bürgerinitiativen fragen sich jetzt, wie weit die personellen und organisatorischen Verflechtungen gehen. Die ICNIRP (ein in München eingetragener Verein) geht aus einer Organisation namens IRP hervor. Was genau stellt diese dar? Wer hat sie gegründet? Wer steht ihr vor? Die ICNIRP wiederum scheint ausscheidende Kommissionsmitglieder nach eigenen Gutdünken neu zu besetzen. Die Frage ist, nach welchen Kriterien solsche Entscheidungen fallen und welche demokratisch legitimierten Gremien die Einhaltung dieser Kriterien überwachen. Ich werde Euch jedenfalls auf dem Laufenden halten, sobald es etwas Neues zu dem Thema gibt. Jedoch könnt Ihr auch selber aktiv werden und beispielsweise einen Brief an Prof. Bernhardt schreiben oder an Euren MdB oder an die ICNIRP und ganz einfach und höflich die Fragen stellen, die Euch auf dem Herzen liegen. Dieser Schriftverkehr würde mich dann natürlich seeeehr interessieren! :-) (Dieser Artikel wurde für die "Kent-Depesche" geschrieben und erscheint voraussichtlich in der Ausgabe 2/2002)
Die
drei Bürgerinitiativen: 2. 3. Adresse
Prof. Bernhardt:
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